VALVE WORLD EXPO 2018: Heilen helfen

Medizintechnik

Heilen helfen

Die Medizin-Branche erweist sich als Wachstumsmarkt. Ventile werden zu Lebensrettern – gleichzeitig steigen die Erwartungen an die Hersteller.

Noch vor 60 Jahren starben zu früh auf die Welt gekommene Kinder durch Sauerstoffmangel bei einer noch unzureichenden Lungenfunktion. Heute sichert moderne Beatmungstechnologie das Leben dieser Kinder. Ventile machen‘s möglich und helfen zu heilen. Doch die Anforderungen an die Hersteller nehmen deutlich zu. Nur beste Hightech-Produkte haben auf dem Medizinmarkt eine Chance.

Erfolgreich auf dem Medizinmarkt zu sein, ist für Ventilhersteller und andere Technologie-Anbieter lohnenswert. Trotz großer Herausforderungen. Denn laut dem jüngsten Bericht von GTAI, U.S. Commercical Service, Eurostat/Spectaris, belief sich die Produktion von medizintechnischen Gütern 2015 weltweit auf 310 Milliarden US-Dollar. Davon entfielen knapp 38,8 Prozent auf die USA, gefolgt von China mit 12,2 und Deutschland mit 9,3 Prozent. Die Medizintechnik-Branche gilt als besonders innovativ, wachstumsstark und zukunftsträchtig, betont der deutsche Bundesverband Medizintechnologie e.V. (BVMed).

400.000 verschiedene Medizinprodukte
Medizinprodukte umfassen eine große Bandbreite von medizintechnischen Produkten und Verfahren, die Leben retten, heilen helfen und die Lebensqualität der Menschen verbessern, betont der BVMed. Nach Schätzungen des deutschen Bundesgesundheitsministeriums gibt es rund 400.000 verschiedene Medizinprodukte. Beispiele hierfür sind Geräte für Diagnostik, Chirurgie, Intensivmedizin, Implantate, Sterilisation sowie Verbandmittel, Hilfsmittel oder OP-Material. „Zu Medizinprodukten gehören nach dem Medizinproduktegesetz (MPG) darüber hinaus auch Labordiagnostika“, ergänzt der BVMed.

Ventile als Lebensretter
Häufiger Bestandteil lebensrettender und therapierender Geräte sind Ventile. Sie leisten beispielsweise bei chirurgischen Geräten, Dentalstationen oder Beatmungsgeräten entscheidende Beiträge. Unverzichtbare Komponenten, „bei denen der Aufwand für Einhaltung einschlägiger Vorschriften und Zulassungsvoraussetzungen bei Produktentwicklung und -fertigung aber stark steigt“, betont Michael Mack, Globaler Produktmanager Piezo bei HOERBIGER Compression Technology. Ein Grund hierfür sind strengere und sich ändernde Vorschriften. Außerdem sind nationale und internationale Regularien zu beachten, die Folge der Globalisierung sind.

Stillstand gibt es daher in der Medizintechnologie nicht: Denn Änderungen in den Regularien und die Entwicklung neuer innovativer Techniken im Bereich Diagnostik und Behandlung bedingen Neuentwicklungen und Produktmodifikationen, betont Michael Mack, Globaler Produktmanager Piezo bei Hoerbiger. Investitionen sind daher für HOERBIGER selbstverständlich.

Höhere Anforderungen
Höhere Anforderungen gelten zum Beispiel bei Geräten oder Systemen, die unter das Medizinproduktegesetz (MPG) fallen. „Hier spielt die Zweckbestimmung der Ventile innerhalb einer Applikation und innerhalb eines medizintechnischen Gerätes eine wichtige Rolle“, erläutert Peter Jaschke, Leiter Business Development MedLab bei Festo. Werkstoff-Kompatibilitäten müssen den Anforderungen entsprechen – das betrifft sowohl medienberührte als auch direkt mit dem menschlichen Körper in Kontakt stehende Bauteile. „Zum Teil sind für risikorelevante Komponenten auch Themen wie Rückverfolgbarkeit und Änderungsmanagement zu berücksichtigen.“ Es gebe aber auch in der Medizintechnik völlig unkritische Bereiche, in denen Produkte und Bauteile in Standard-Industrieausführung eingesetzt werden könnten, so Jaschke.

Mehraufwand
Auch aus diesem Grund steigen die Anforderungen an Ventilhersteller: „Die für die Hersteller bzw. für die ‚Inverkehrbringer‘ geltenden Anforderungen an das Qualitätsmanagement (QM) und an die QM-Systeme aus der internationalen Norm ISO 13485 werden zunehmend an deren Unterlieferanten wie zum Beispiel Ventilhersteller ‚durchgereicht‘. Das hat einen nicht unerheblichen personellen wie auch finanziellen Mehraufwand zur Folge“, erklärt Jaschke. Festo habe dies frühzeitig erkannt und beispielsweise Entwicklung und Produktion entsprechend ISO 13485 zertifizieren lassen.

Die Erwartungen an Komponenten für die Medizintechnologie sind also hochgesteckt, weiß Michael Mack von HOERBIGER. „Energieeffizienz und Gewichtsersparnis spielen eine zentrale Rolle bei batteriebetriebenen und mobilen Geräten – während  gleichzeitig Zuverlässigkeit, Betriebsbewährtheit, ein langer Produktlebenszyklus und eine Produktverfügbarkeit über einen langen Zeitraum ohne technische Änderungen gefordert sind.

Reduzierte Betriebsgeräusche
Besonders hoch sind die Anforderungen etwa bei Beatmungsgeräten für zu früh geborene Kinder, bei denen im Extremfall die Atmung vollständig von der Maschine übernommen werden muss. Um diese zu erfüllen, bietet HOERBIGER ein Druckregelventil aus dem Produktportfolio der Piezoventile. „Hier spielt unsere Piezotechnologie Ihre Stärken voll aus: Extrem schnelle Einschwingzeiten beim ständigen Druckwechsel zwischen Ein- und Ausatmen erlauben eine möglichst natürliche Belastung der noch nicht selbstständig funktionierenden Lunge. Das Ausatmen wiederum erfordert eine hohe Durchflussleistung. Gleichzeitig ist ein permanenter Grunddruck einzustellen, der sehr fein eingeregelt sein muss und nur eine minimale Schwankungsbreite haben darf. Durch die extrem geringe elektrische Leistungsaufnahme des Ventils ist es zudem möglich, die Batterielaufleistung im Mobil- oder Notbetrieb deutlich zu verlängern und damit die Betriebssicherheit auf ein Niveau zu heben, das mit herkömmlicher Ventiltechnik nur mit zusätzlichem Aufwand realisierbar ist“, berichtet Michael Mack.

Und weil diese leistungsbestimmenden Komponenten, die sogar dreimal je Gerät verbaut sind, selbst bei intensivem Gebrauch so gut wie keine Wärme entwickeln, könne mit einem deutlich kleineren Ventilator gearbeitet werden. „Zusammen mit dem lautlosen Schalten und Regeln des Ventils reduziert das enorm die Betriebsgeräusche des Gerätes, was sich wiederum auf die Gesundung des Babys auswirkt.“

Piezoventile für die Augenchirurgie
Eingesetzt wird die Piezoventil-Technologie ebenfalls in der Augenchirurgie. Hier optimiert sie die filigranen Prozesse. Unterschiedliche Flüssigkeiten und Gase sind bei operativen Augenbehandlungen zu bewegen. Festo entwickelte Proportionalventile und Piezoventile sowie eine integrierte Sensorik. Diese ermöglichen es, „die präzise Förderung von Glaskörperersatzlösung zu steuern, das Vakuum unterstützte Absaugen von Mikropartikeln zu erleichtern und verschiedenste chirurgische Werkzeuge anzutreiben.“

Eine weitere Verwendung findet das Piezoventil bei der Lungenkrankheit COPD – zu Deutsch „chronisch obstruktive Lungenerkrankung“, durch die etwa 600 Millionen Menschen weltweit an Atemnot leiden. Ein mobiles Sauerstoffgerät verbessere die körperliche Belastbarkeit, Lebensqualität und die geistige Leistungsfähigkeit der Patienten, berichtet Festo. Das japanische Unternehmen Musashi Medical Laboratory liefere für diese Sauerstoffgeräte leicht bedienbare Regler im Format eines Smartphones, die Komfort und Handhabung für die Patienten deutlich verbessern. Kompakte Piezoventile von Festo sorgen wiederum für eine leise Sauerstoffzufuhr.

Effizienterer Sauerstoffverbrauch
Das bei COPD angewandte Gerät ist an die Atemfrequenz des Patienten angepasst. „Ein Sensor sorgt dafür, dass der Regler das Einatmen erkennt. Daraufhin wird die richtige Sauerstoffmenge der Atemluft beigemischt“, erläutert Festo. Beim Einatmen registriert der Sensor einen ‚Unterdruck‘, sendet ein Signal an den Regler, der das Proportionalventil öffnet. Jetzt fließt Sauerstoff nicht mehr permanent aus der Sauerstoffflasche, sondern nur für die Dauer des Einatmens. Sobald der Einatmungsvorgang beendet ist, schließt das Ventil die Sauerstoffzufuhr. „Der Sauerstoffverbrauch wird damit wesentlich effizienter. Die Sauerstoffflasche muss seltener nachgefüllt werden. Dadurch erhöht sich der Aktionsradius des Patienten“, betont der Ventilhersteller. Mehr noch: Durch das energieeffiziente Piezoventil verlängere sich die Akkulaufzeit des Geräts um ein Vielfaches.

Anästhesie und Intensivmedizin
Zu den weiteren Anwendungen gehören pneumatische Integrationslösungen für chirurgische Geräte und die Regelung von Fluiden in Dentalstationen. Aber auch Anästhesie, Notfallmedizin und Intensivmedizin benötigen Ventile.

Auf die Medizintechnik kommt zukünftig einiges zu: „Chronische Erkrankungen nahmen in den vergangenen Jahren zu, ebenso die Erwartungshaltung nach bleibender Mobilität. Als Folge hiervon entstand ein wachsender Bedarf an kleinbauenden und energieeffizienten Bauteilen“, erklärt Peter Jaschke, Leiter Business Development MedLab bei Festo. Hinzu kommen Umweltverschmutzungen als Verursacher von Erkrankungen.

Medizinbranche als großer Arbeitgeber
Um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, muss aus Sicht des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) die Entwicklung der Medizintechnik darauf abzielen, frühere und sichere Diagnosen zu ermöglichen sowie eine immer erfolgreichere Behandlung mit einer immer geringeren Belastung des Patienten zu bewirken.

Die Herausforderungen sind auch eine Chance für die Medizinindustrie, die zahlreiche Arbeitsplätze bietet. Beispiel Deutschland: Die Medizinprodukte-Hersteller beschäftigen hierzulande 133.000 Mitarbeiter in rund 1.250 Betrieben (mit mehr als 20 Beschäftigten), betont Manfred Beeres, Pressesprecher des Bundesverbandes Medizintechnologie. Hinzu kämen 11.300 Kleinstunternehmen mit knapp 81.000 Beschäftigten, so dass die MedTech-Branche in Deutschland über 210.000 Menschen beschäftige.

Positive Auswirkungen auf Unternehmen
„Die überdurchschnittlich innovative MedTech-Branche wird aufgrund der demografischen Entwicklung, des medizintechnischen Fortschritts und der Dynamik in den Schwellen- und Entwicklungsländern ein Wachstumsmarkt bleiben“, prognostiziert Beeres vom BVMed. Experten gehen von einem jährlichen Wachstum von vier bis fünf Prozent aus.

Die günstige Entwicklung im Bereich der Hightech-Medizin, insbesondere bei OP-Ausrüstung und Diagnostik, zeigt bei HOERBIGER eine positive Auswirkung im Geschäftsfeld. Daran ändert auch der andauernde Investitionsstau im Bereich der Krankenhausausrüstung nichts, da dieser HOERBIGER „als Hightech-Produkt-Hersteller nicht betrifft.“

Eine Win-Win-Situation
Gute Nachrichten also: Hightech-Anbieter werden erfolgreich den so wichtigen Medizinmarkt mit ihren leistungsfähigen Produkten beliefern können – zum Wohl der Menschen. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten: Selbst wenn der Aufwand für die Einhaltung einschlägiger Vorschriften und Regularien weiter stark zunehmen wird.

Text & Bild: Messe Düsseldorf GmbH