SMM 2018: Offshore Dialogue auf der SMM: Die Natur und ihre Schätze

Offshore Dialogue auf der SMM: Die Natur und ihre Schätze

Auf der internationalen Fachkonferenz in Hamburg trafen Wissenschaftler, Ingenieure und Schiffbauexperten zusammen, um über nachhaltigen Tiefseebergbau und die Chancen und Risiken der arktischen Schifffahrt zu diskutieren. Im Fokus standen dabei die neuesten maritimen Technologien – und die Frage: Wann ist die Zeit reif, um die Ressourcen aus der Tiefe zu nutzen?

Ob für Speicherbatterien, Smartphones oder Produkte für innovative Schiffsausstattungen: Der Bedarf der Hightech-Industrie an Metallen wächst stetig. Auf der Suche nach mehr Kupfer, Kobalt und kostbaren Erzen schaut die Industrie zunehmend auf schwer erreichbare Regionen wie Tiefsee und Arktis. Doch wie lassen sich die Schätze vom Meeresboden und Ressourcen in der Arktis schonend und ökonomisch sinnvoll erschließen? Welche innovativen maritimen Technologien gibt es bereits? Und welche Auswirkungen hätte der Abbau auf das Ökosystem?

Antworten darauf gab es auf dem im Rahmen der Weltleitmesse SMM stattfindenden Offshore Dialogue in Hamburg. Unter dem Motto „Pushing the limits – new maritime technologies for future needs“ loteten die renommierten Konferenzteilnehmer die Chancen und Risiken aus und präsentierten mögliche Lösungswege.

Kostbare Knollen
Eine der begehrten Rohstoffquellen ist die Manganknolle. Die kleinen schwarzen Klumpen liegen in 5.000 Metern Tiefe auf dem Meeresgrund und enthalten außer Mangan auch Eisen, Kupfer, Kobalt und Nickel. Wie der Abbau der kostbaren Knollen konkret aussehen könnte, zeigte Joury Van Gijseghem, General Manager bei DEME Blue Energy, in seinem Vortrag „Component tests for responsible manganese nodules mining – aspects and results“. Der belgische Meerestechnik-Spezialist hat bereits Equipment für den Tiefseebergbau produziert und in Kooperation mit dem deutschen Forschungsschiff „Sonne“ getestet. Um die Auswirkungen auf die Umwelt auf ein Minimum zu reduzieren, forderte Gijseghem generell eine engere Zusammenarbeit von Industrie und Forschung. Denn das Umfeld der Knollen gilt als extrem sensibel.

Wie essenziell die Manganknollen für die Biodiversität in der Tiefsee sind, skizzierte Prof. Dr. Andrea Koschinsky von der Jacobs University Bremen: „Wo viele Knollen liegen, ist die ökologische Vielfalt besonders groß. Schauen wir in Regionen, wo sie eingesammelt wurden, finden wir bedeutend weniger Mikroorganismen.“ Da die Knollen nur wenige Millimeter bis Zentimeter pro Millionen Jahre wachsen, müssten Entscheidungen sehr genau abgewägt werden. Neben den Manganknollen sind massive Sulfide Objekt der Begierde. Heiko Felderhoff, Geschäftsführer bei Harren+Partner Shipping, präsentierte eine Methode, bei der Magma quasi aus dem Boden gefräst wird. Dabei wolle man nur in „erloschenen“ Feldern, wo kein Magma mehr sprudelt und sich keine Lebewesen befinden, arbeiten. „Unser Konzept kombiniert bewährte Technologien aus dem Bauingenieurswesen sowie der Offshore-Industrie und bietet so einen komplett neuen Ansatz für den Tiefseebergbau. Es ist nicht nur kosteneffizient, es ist außerdem flexibel und umweltfreundlich“, so Felderhoff.

Harte Schale
Laut International Union for Conservation of Nature (IUCN) machen Tiefsee-Regionen fast zwei Drittel der Erdoberfläche aus – Vieles davon ist noch nicht erforscht. Der Bedarf an modernen Forschungsschiffen ist also groß. Wie solche Hightech-Schiffe für eisige Gefilde optimal geplant werden, schilderte Einar Vegsund, Vice President Ship Design bei Rolls-Royce Marine, in seinem Vortrag „Polar research – a ship designer’s perspective. „So ein Schiff braucht mehr als nur Power und Stärke. Es muss vielfältige Funktionen erfüllen und extremsten Bedingungen standhalten.“ Dabei komme es auf die richtige Balance zwischen den verschiedenen Aspekten an, so Vegsund, der unter anderem für das Design der „Kronprins Haakon“ verantwortlich war: „Die Logistik an Bord ist die größte Herausforderung.“

Eine Schlüsselrolle nimmt hier die Stabilität des Rumpfes ein, da es in den Fahrtgebieten meterdickes Eis gibt. Die International Maritime Organization (IMO) hat dazu 2017 den Polar Code als verbindliches Regelwerk verabschiedet. Sascha Pristorm, Technical Officer Marine Technology Section bei der IMO, stellte weitere Aktivitäten der Weltschifffahrts-Organisation in Aussicht, um die sensible Region zu schützen: „Der Polar Code ist nicht die letzte Antwort.“

Robust und sauber
Teus van Beek, General Manager Market Innovation beim finnischen Motorenhersteller Wärtsilä, machte in seinem Vortrag deutlich, dass beim Bau der Schiffe die Effizienz nicht auf der Strecke bleiben dürfe. Sein Credo: „Die Schiffe müssen robust und sauber sein.“ Er forderte von der Branche, die hochsensible Region zu schützen und sich auf saubere Brennstoffe zu fokussieren. Das wird immer wichtiger, weil der Verkehr in der Region zunimmt. „Durch den voranschreitenden Klimawandel geht das Eis rund um den Nordpol stark zurück“, sagte der Brite Robert Tustin, Consultant Ship New Construction beim Schiffsklassifizierer Lloyd’s Register. „In der Folge entstehen für die Handelsschifffahrt neue Routen durch die Polarregion.“ Erst vor wenigen Wochen gab die weltweit führende Containereederei Maersk bekannt, verstärkt Schiffe durch den arktischen Ozean schicken zu wollen.

Wie die Schiffe für die veränderten Bedingungen designt und ausgerüstet werden müssen, erläuterte Nils Reimer, Head of Arctic Technology Department bei der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt: „Hier spielt das Treibeis eine entscheidende Rolle. Wir müssen die Wellenbewegung auf dem offenen Ozean berücksichtigen und die Schiffe entsprechend planen und ausrüsten.“

Dass die Arktis künftig besser erreichbar ist, lässt auch das Interesse der Industrie an den dort lagernden Rohstoffen steigen. „Die Arktis hat ein Investment-Potenzial in Höhe von 172 Milliarden Euro“, sagte Anu Frederikson, Director beim Artic Economic Council (AEC). „Wir ermöglichen in der Arktis business-to-business Aktivitäten und achten darauf, dass die Ressourcen dabei schonend erschlossen werden. Dafür braucht es die bestmögliche technische Unterstützung.“

Kooperationspartner des Offshore Dialogues war in diesem Jahr die German Association for Marine Technology (GMT). Der GMT-Vorsitzende Dr. Walter Kuehnlein zog ein rundum positives Fazit der Veranstaltung: „Der Offshore Dialogue hat gezeigt, dass der gezielte Eingriff von Hightech in Kombination mit den höchsten Technologie-Standards nachhaltige Ressourcen-Gewinnung in Tiefsee und Arktis erlaubt.“

 

Bild & Text: smm-hamburg.com